Magersucht, auch Anorexie genannt, ist nicht nur eine physische, sondern auch eine tiefgreifende psychische Erkrankung. Frauen, die darunter leiden, haben oft Schwierigkeiten, ihren eigenen Körper und ihre Sexualität zu akzeptieren. Für Männer über 50, die in Erwägung ziehen, eine Beziehung mit einer betroffenen Frau einzugehen, gibt es einige Dinge zu beachten.
Anorexie beziehungsweise Anorexia nervosa, auch als Magersucht bekannt, wird häufig mit jungen Frauen in Verbindung gebracht, doch dieses Krankheitsbild beschränkt sich nicht nur auf diese Gruppe. Menschen jeglichen Geschlechts, Alters und kulturellen Hintergrunds können von dieser ernsthaften Essstörung betroffen sein. Es gibt Fälle von Anorexie bei jungen Männern, älteren Erwachsenen und sogar bei Kindern. Der Druck, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen oder tief verwurzelte psychologische Probleme können Auslöser sein, unabhängig von Geschlecht oder Alter.
Nach Schätzungen der Barmer Krankenkasse befanden sich 2016 in Deutschland etwa 93.000 Menschen wegen Anorexia nervosa in Behandlung. Davon waren 93 Prozent Frauen, wobei fast ein Drittel über 40 Jahre alt war.
Anorexie im Alltag: Wie sich die Essstörung in Beziehungen zeigt
Eine Einladung zum Essen nimmt eine Frau, die unter Anorexie leidet, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an. Falls doch, findet dein Date spätestens im Restaurant Gründe, warum sie nichts bestellen oder das Bestellte letztendlich nicht essen kann. Zu den üblichen Ausreden gehören Allergien und Unverträglichkeiten. Eventuell klagt sie auch über Übelkeit wegen der Aufregung, wenn das Gericht vor ihr steht. Oder sie bestellt nur einen grünen Salat – ohne Dressing und Brot.
Das klingt extrem. Und das ist es auch. Falls du dich auf ein Date oder sogar auf eine Beziehung mit einer Frau mit Anorexia Nervosa einlässt, wird sich euer Zusammensein mit hoher Wahrscheinlichkeit ständig um Essen beziehungsweise Nicht-Essen drehen:
- Ein Löffel Olivenöl im Salat kann bei einer Frau mit Anorexie einen Tränenausbruch hervorrufen.
- Deine Herzensdame stochert vielleicht endlos in einer Portion Blattspinat herum, weil sie die ganze Zeit überlegt, wie sie nach dem Essen diese Kalorien wieder neutralisieren kann.
- Vielleicht treibt sie exzessiv Sport und nutzt jede Gelegenheit für Extra-Bewegung.
- Möglicherweise schluckt sie heimlich Watte herunter, wenn der Hunger doch zu groß wird.
- Auch der tägliche Gang auf die Waage ist in ihrem Alltag fest verankert.
- Es kann sein, dass sie für dich die schönsten Speisen kocht – aber selbst nicht davon probiert.
- Mit dem Fortschreiten der Erkrankung wird sie vermutlich kraftlose und schwächer.
Romantisch essen gehen, gemütlich Chips auf dem Sofa knabbern und Serien auf Netflix anschauen oder zusammen etwas Schönes kochen – all das ist mit einem Menschen, der unter Anorexie leidet, nicht möglich. Die Frau an deiner Seite zählt akribisch Kalorien und kontrolliert alles, was sie isst.
Verständnis für die Krankheit Anorexie: Verzerrte Körperwahrnehmung
Frauen mit Anorexie leiden oft unter einer verzerrten Körperwahrnehmung. Trotz lebensbedrohlichem Untergewicht sehen sie sich selbst oft als zu dick an. Dies ist keine bloße Eitelkeit oder ein einfacher Mangel an Selbstvertrauen, sondern eine ernstzunehmende psychische Störung, die als Körperschema-Störung bezeichnet wird. Wenn sie in den Spiegel schauen, sehen sie nicht die Realität.
Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Wahrnehmungsverzerrung nicht durch Tipps und Ratschläge oder Komplimente „korrigiert“ werden kann. Angenommen, du sagst deiner Partnerin, dass sie schlank und wunderschön ist. Oder du erklärst ihr, dass sie besorgniserregend dünn, ja, sogar untergewichtig ist und dass du Angst um sie hast. Dann wird sie das nicht glauben. Oder deine Angst abtun. Eventuell denkt sie, dass du dich irrst – oder dass du sie täuschen willst. Die Wurzeln der Anorexie reichen oft tief und können mit Selbstwertproblemen, Kontrollbedürfnissen und anderen psychologischen Faktoren zusammenhängen. Kurz gesagt: Sie braucht eine Therapie. Ihre Hausarztpraxis kann eine erste Anlaufstation sein.
Körperliche Probleme durch die Essstörung
Zusätzlich zu dieser verzerrten Körperwahrnehmung gibt es auch physische Folgen, die berücksichtigt werden müssen. Der andauernde Nährstoffmangel kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen, einschließlich hormoneller Veränderungen, die das sexuelle Verlangen beeinflussen können.
Die körperlichen Probleme und Komplikationen, die bei Frauen mit Anorexie auftreten können, sind vielfältig und können erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben:
- Untergewicht: Das auffälligste körperliche Zeichen von Anorexie ist ein deutlich unter dem normalen BMI liegendes Körpergewicht.
- Hormonelle Veränderungen: Der Mangel an essenziellen Nährstoffen kann den Hormonhaushalt beeinträchtigen. Dies führt bei Frauen vor der Menopause oft dazu, dass die Menstruation ausbleibt (Amenorrhoe). Das sexuelle Verlangen nimmt ab und das Risiko für Osteoporose steigt.
- Kardiovaskuläre Probleme: Ein anhaltender Nährstoffmangel und ein niedriges Körpergewicht können zu einem niedrigen Blutdruck, einer verlangsamten Herzfrequenz und sogar zu Herzanomalien und Herzversagen führen.
- Osteoporose: Ein Mangel an Kalzium und Vitamin D, kombiniert mit hormonellen Veränderungen, kann zu einem Verlust der Knochendichte und einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche führen.
- Muskelschwund und Schwäche: Durch den Mangel an Protein und Kalorien kann die Muskulatur abgebaut werden, was zu Schwäche führt.
- Gastrointestinale Probleme: Dazu gehören Verstopfung, Magenverstimmung und, in schweren Fällen, eine verlangsamte Magenentleerung (Gastroparese).
- Nierenprobleme: Dehydration, oft durch übermäßiges Trinken und übermäßigen Gebrauch von Abführmitteln, kann die Nierenfunktion beeinträchtigen.
- Elektrolytstörungen: Besonders gefährlich sind Ungleichgewichte von Elektrolyten wie Kalium, Natrium und Chlorid, die für die Funktion von Nerven und Muskeln, einschließlich des Herzmuskels, essenziell sind.
- Blutprobleme: Anorexie kann zu Anämie, Leukopenie (niedrige weiße Blutkörperchen) und Thrombozytopenie (niedrige Blutplättchen) führen.
- Endokrine Störungen: Die körperliche Stressreaktion bei Anorexie kann zur Unterfunktion der Nebennieren und der Schilddrüse führen.
- Neurologische Probleme: Dazu gehören Schwindel, Schwäche und in einigen Fällen periphere Neuropathie.
- Hautprobleme: Die Haut kann trocken, gelblich und kalt werden.
- Psychologische Symptome: Zusätzlich zu den körperlichen Symptomen können Betroffene von Anorexie auch unter Depression, Angstzuständen, Reizbarkeit und kognitiven Veränderungen leiden.
Das Fortschreiten der Anorexia nervosa ohne Behandlung kann lebensbedrohlich sein. Daher ist es wichtig, dass du bei Anzeichen einer Essstörung frühzeitig Hilfe für deine Partnerin beziehungsweise mit deiner Partnerin suchst. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung können die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender gesundheitlicher Komplikationen verringern.
Sexualität und Anorexie: Keine Lust auf Intimität – und keine Kraft dafür
Viele Frauen mit dieser Erkrankung empfinden ihre Sexualität häufig als unangenehm und belastend. Sie hungern sich möglicherweis so weit herunter, dass sämtliche weibliche Rundungen verschwinden. Für essgestörte Frauen kann das Zulassen von Nähe und das Sich-Fallen-Lassen in einer Beziehung eine besondere Herausforderung darstellen. Sex kostet viel Energie.
Versuch, geduldig und einfühlsam zu sein und sie nicht zu drängen. Sie braucht erst einmal Hilfe, um zu überleben. Sexualität und Intimität spielen für sie zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich keine Rolle.
Offene Kommunikation über Gefühle, Wünsche und Ängste ist essenziell. Obwohl nicht jede Frau mit Anorexie ihre Sexualität in der Therapie thematisiert, kann das Gefühl, geliebt zu werden, eventuell helfen, eine Essstörung zu überwinden.
Trotz der mit Anorexie verbundenen Herausforderungen gibt es viele Frauen, die ein erfülltes Leben führen und sogar Familie gründen. Das ist ein Beweis dafür, dass Heilung und ein Leben nach Anorexie möglich sind.
Fazit
Eine Beziehung mit einer Frau mit Anorexie kann komplex und herausfordernd sein, vor allem in Bezug auf Intimität und Sexualität. Es ist wichtig, sich der Herausforderungen bewusst zu sein und mit Empathie und Verständnis zu reagieren. Dennoch können Liebe, Unterstützung und Geduld oft den Weg zur Heilung ebnen. Was dir allerdings bewusst sein sollte: Deine Dating-Partnerin, Freundin oder Frau braucht professionelle Hilfe.
Unser Redaktionsteam ist ständig auf der Suche nach interessanten und aktuellen Themen, die Männer in der zweiten Lebenshälfte beschäftigen. Wir recherchieren, interviewen, schreiben und lassen gerne auch Gastautoren zu Wort kommen.