Rote Bete essen? Neue Studie entzaubert Mythen

Rote Bete speichert besonders viel Nitrat aus dem Boden. Der Stoff stand lange im Verdacht, Krebs zu fördern. Obwohl sich das bisher in Studien mit Menschen nicht bestätigt hat und heute auch positive Wirkungen beschrieben werden, ranken sich weiter Mythen um das Gemüse. Neue Erkenntnisse einer klinischen Studie tragen zum Lösen des Rätsels der beliebten Power-Rübe bei.


Die Rote Rübe senkt den Blutdruck, allerdings nur kurzfristig, wie eine klinische Studie zeigt. Dafür dürfte sie positive Wirkungen bei chronischen Entzündungen haben.

Kaum ein Tag vergeht, an dem man keine Ernährungsempfehlungen liest oder hört. Doch selbst bei vermeintlich „gesunden“ oder „ungesunden“ Lebensmitteln ist die Forschungslage oft nicht so eindeutig wie gemeinhin angenommen. Das gilt auch für die Rote Bete.

Sie enthält, ähnlich wie Spinat, Rucola und Kopfsalat, große Mengen an Nitrat. Diese Stickstoffverbindung galt früher als bedenklich, weil nach der Umwandlung von Nitrat zu Nitrit im Körper möglicherweise krebserregende Verbindungen aus Nitrit entstehen. Heute häufen sich hingegen die Nachweise auf eine positive Wirkung von Nitrat aus pflanzlichen Quellen auf das Herz-Kreislauf-System.

Umso wichtiger ist es, die Effekte der Knolle und des Nitrats in gut kontrollierten Studien zu überprüfen. Zu diesem Zweck fördert der Wissenschaftsfonds FWF das klinische Projekt „Diätetisches Nitrat, Gefäßfunktion und Entzündung“ unter der Leitung von Ernährungswissenschaftler Oliver Neubauer von der Universität Wien in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien. Dabei wurden Personen mit medikamentös behandeltem, erhöhtem Blutdruck nach strengen Kriterien rekrutiert und die Kurz- und Langzeiteffekte der Roten Rübe untersucht. Eine erste Publikation aus dem Projekt zeigt in dieser speziellen Kohorte keinen positiven Effekt auf den Blutdruck. Dennoch lassen die Ergebnisse interessante Schlüsse zu.

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Kurzfristige Blutdrucksenkung durch Rote Bete

Für die Studie trank ein Teil der insgesamt 15 Teilnehmenden täglich 140 ml eines Rote-Rüben-Konzentrats, das mit 800 mg eine besonders hohe Nitratdosis enthielt. Der andere Teil erhielt als Placebo einen nitratarmen Rote-Rüben-Saft. Nach vier Wochen Einnahmezeit und vier Wochen Auswaschphase wurden die Gruppen gewechselt. Dazwischen führten die Forschenden Messungen durch, um die Gefäßfunktion und den Blutdruck zu überwachen, und sammelten Proben aus dem Blut, Speichel und Stuhl. Jetzt liegen die ersten Ergebnisse vor.

Es zeigte sich, dass der Rübensaft den Blutdruck drei Stunden nach dem Trinken signifikant senkt, was auch der aktuellen Forschungsmeinung entspricht. Allerdings sahen die Forschenden keine anhaltende Verbesserung der Blutdruckwerte durch eine Langzeiteinnahme über vier Wochen. „Diese Ergebnisse sind ein weiterer Puzzlestein in der Nitratforschung und zeigen, dass unter den Bedingungen und mit der hohen verabreichten Dosis eher keine starken Langzeiteffekte zu erwarten sind“, ordnet Neubauer die Ergebnisse ein.

Methodik und Einschlusskriterien

„Es ist wichtig zu erwähnen, dass wir eine sehr robuste Methodik für die Messungen verwendet haben, insbesondere für die Gefäßfunktion und den Blutdruck“, sagt Studienleiter Neubauer. Zusätzlich zu den umfangreichen Untersuchungen in der Klinik mussten die Teilnehmenden zu festgelegten Zeitpunkten zu Hause ihren Blutdruck messen. Vor allen Untersuchungsterminen wurde der Blutdruck jeweils über 24 Stunden lang mit einem automatischen Messgerät gemessen.

Außerdem hatten die Forschenden bereits im Vorfeld eine klar definierte Auswahl der Studienteilnehmer getroffen. Da das Ziel der Studie war, Personen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu untersuchen, beschränkten sich die Forschenden auf Personen über 50 Jahre mit Bluthochdruck. Personen, die bereits erkennbare Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten, wurden ausgeschlossen. Zusätzlich kam eine ganze Reihe anderer Kriterien zum Tragen, die speziell für die Rote Rübe und die Nitratforschung relevant sind.

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Bedeutung der Mundflora und Ernährung

Die Ernährung setzt viele Hebel im Organismus in Gang. Deshalb müssen Studien über Lebensmittel allerlei Seiteneffekte ausschließen. Zum Beispiel wird aus der Roten Rübe zwar Nitrat aufgenommen. Bakterien im Mund wandeln es aber in Nitrit um, welches dann im Körper weiter zu Stickstoffmonoxid umgewandelt wird. Erst in dieser Form wirkt es blutdrucksenkend. Wer übermäßig Mundspülungen benutzt, tötet diese Bakterien ab. „Es gibt gut kontrollierte Studien, die zeigen, dass allein dadurch der Blutdruck steigt“, erklärt Neubauer, warum Menschen mit dieser Angewohnheit für die Studie nicht infrage kamen. Außerdem mussten die Teilnehmenden die Aufnahme anderer nitratreicher Lebensmittel reduzieren und durften sich nicht vegetarisch oder vegan ernähren. Wer zu viel Sport trieb, wurde ebenfalls ausgeschlossen, weil dabei körpereigenes Stickstoffmonoxid entsteht.

Zukünftige Forschung

Neubauer verfolgt verschiedene Erklärungsansätze, warum in der streng kontrollierten Gruppe keine langfristige Wirkung auf den Blutdruck auftrat. „Eine Vermutung ist, dass durch die hohe Dosis und den langen Zeitraum die Bildung von körpereigenem Stickstoffmonoxid abgenommen hat und sich die Effekte ausgleichen“, sagt der Ernährungswissenschaftler. Für die Forschungsgruppe gilt es nun, die gewonnenen Daten auf andere Faktoren hin auszuwerten, die zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen können. So gibt es erste Hinweise darauf, dass die Langzeiteinnahme zwar keinen Effekt auf den Blutdruck hat, dafür aber chronische Entzündungen reduziert. Vielleicht liegt darin die Lösung des Rätsels der Roten Bete.

Quelle: Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF
Bildquelle: vkuslandia/depositphotos.com

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